Fragesteller: Da wir uns Ramadan näheren, häuft sich die Frage, ob man Zakat al-Fiṭr in Form von Geld entrichten kann. Bei uns in Algerien entrichten wir sie in Geld. Ist dies erlaubt?
Moderator: Wie sieht es mit der Zakat al-Fiṭr mittels Geld aus?
Scheich Muhammad al-Hassan al-Dadaw: Der Gesandte Allahs ﷺ befahl, sie in Höhe von ein ṣāʿ[1] an Nahrung zu entrichten.[2] Die Gelehrten streiten sich, ob diese befohlene Angelegenheit einen Zweck bzw. Grund (ʿilla, ratio legis) hat oder ob sie lediglich einen gottesdienstlichen Akt darstellt (der umzusetzen gilt). Viele Gelehrten sind der Auffassung, dass islamische Rechtsnormen grundsätzlich immer einen Grund (ʿilla) haben, warum sie bestehen. Eine andere Gruppe von Gelehrten sieht hingegen in jeder Rechtsvorschrift stets einen gottesdienstlichen Akt. Folgt man der ersten Ansicht, so ist Allah auf Seine Diener nicht angewiesen. Er versorgt sie, nicht sie Ihn. Er erließ all diese Vorschriften, damit die Diener einen Nutzen (maṣlaḥa) haben. Man untersucht also den Nutzen und alles, was diesem zweckdienlich ist, ist zulässig. Dies ist die Vorgehensweise bzw. Rechtsschule von Abū Ḥanīfa. Er ist der Meinung, dass die Zakat anhand der Höhe ihres Wertes (bestimmt und) entrichtet wird. Folglich wird auch die Zakat al-Fiṭr mittels Geld entrichtet. Der malikitische Gelehrte Aschhab[3] (b. ʿAbdil-ʿAzīz) ist der gleichen Auffassung. Für eine Gruppe der Malikiten ist entscheidend, die Situation des bedürftigen Menschen zu überprüfen. Wenn es für ihn angebracht ist, die Zakat al-Fiṭr in Geld zu erhalten, so ist dies besser. Für diese Meinung entschieden sich auch Ibn al-Ḥāj[4] in seinem Werk „al-Madkhal“ und andere Fakihs bzw. Spätgelehrten. Wenn der Mensch also die Zakat al-Fiṭr mittels Geld bei Hilfsorganisationen entrichtet, so ist daran nichts auszusetzen, insbesondere wenn es für die Muslime im Westen, also Europa oder Amerika, ist. Man spendet das Geld an diese Organisationen und Vereine und diese kümmern sich um dessen Verteilung an die bedürftigen Menschen am gesegneten Festtag.
Scheich ‘Abdul-‘Aziz b. Marzuq al-Tarifi: Grundsätzlich befahl der Prophet ﷺ die Zakat al-Fiṭr in Nahrung zu entrichten, seien es Datteln oder Getreide – bis zum Ende des von ʿAbdullāh b. ʿUmar überlieferten Hadith.[5] Dies weist darauf hin, dass sie mittels Nahrung zu entrichten ist. Über einige Altvordern (salaf) bzw. Tābiʿīn wurde die Entrichtung mittels Geld überliefert. Ebenfalls wurden einige Taten bzw. Ableitungen der Gefährten des Gesandten Allahs ﷺ erwähnt: ʿUmar b. ʿAbdil-ʿAzīz würde seinen Angestellten schriftlich befehlen, die Zakat al-Fiṭr in Höhe von ein ṣāʿ an Nahrung oder die Hälfte in Dirham einzusammeln.[6] Dies wurde authentisch überliefert. Ebenfalls wurde dies über al-Ḥasan al-Baṣrī , dem Imam und Fakih aus dem Irak, überliefert.[7]
Ibn Abī Schaiba überliefert von Zuhair, der Abū Isḥāq (al-Sabīʿī) sagen hörte:
أدركتهم وهم يعطون في صدقة رمضان الدراهم بقيمة الطعام
„Ich habe sie (die Leute von Kufa) gesehen, wie sie die Spende von Ramadan in Dirhams entrichteten in Wert der Nahrung.“[8]
Er überliefert hier die Taten der Bewohner von Kufa bzw. die jeweiligen Generationen und womöglich meint er einige Gefährten bzw. Schüler von ʿAbdullāh b. Masʿūd wie ʿAlqama (b. Qais) und al-Aswad (b. Yazīd).
Moderator: Auf diesen Aspekten beruht ihre Meinung also?
Tarifi: (Ja) Sie stützen sich auf (einige) Altvordern und Abū Ḥanīfa gelangte zu dieser Ansicht.[9] Es existiert auch eine überlieferte Ansicht von Imam Aḥmad .[10] Und einige (Gelehrte) stützen sich auf dem, was einige Altvordern (salaf) abgeleitet haben bezüglich dem, was den Menschen nützt (maṣlaḥa). So wie im Hadith vom Abū Saʿīd (al-Khudrī) erwähnt wird, dass die Gefährten des Propheten ﷺ einen Unterschied zwischen dem mudd Weizen aus Syrien und dem aus Medina machten.[11] Ein mudd (an Weizen) aus Syrien betrug doppelt so viel wie ein mudd (an Datteln) aus Medina, weil er eine höhere Qualität aufwies. Schließlich war er teurer und begehrter für den Armen – dies alles, damit es nicht zu Ungerechtigkeiten gegenüber dem Wohlhabenden kommt.
[1] Hierbei handelt es sich um ein Hohlmaß. Ein ṣāʿ entspricht vier mudd und ein mudd wiederum entspricht zwei Hände voll.
[2] Sahih al-Buchārī, Kapitel 24, Hadithnr. 1503 f., 1507, 1512; Sahih Muslim, Kapitel 12, Hadithnr. 984; Sunan al-Nasāʾī, Kapitel 23, Hadithnr. 2511.
[3] Ägyptischer Gelehrter (140–204 H.), Mufti und Fakih der malikitischen Rechtsschule. Er zählt zu den Tābi al-Tābiʿīn.
[4] Marokkanischer Fakih (gest. 737 H.) der malikitischen Rechtsschule aus Fès. Er lehrte dort an der Medrese al-Qarawīyīn, die heute eine Universität ist.
[5] Sahih al-Buchārī, Kapitel 24, Hadithnr. 1503 f., 1507, 1512; Sahih Muslim, Kapitel 12, Hadithnr. 984.
[6] Ibn Abī Schaiba, Al-Muṣannaf, Band 6, Seite 293, Hadithnr. 10660 f., Edition: Dār Kunūz Ischbīlyā.
[7] Ders., aaO, Hadithnr. 10662.
[8] Ders., aaO, Seite 294, Hadithnr. 10663.
[9] Einen weiteren Hadith, den die Hanafiten als Beweis heranziehen: Sunan Abī Dāwūd, Kapitel 9, Hadithnr. 1576, Kapitel 20, Hadithnr. 3038; Jāmiʿ al-Tirmiḏī, Kapitel 7, Hadithnr. 623; Sunan al-Nasāʾī, Kapitel 23, Hadithnr. 2450 ff.; Musnad Imam Aḥmad, Hadithnr. 22013, 22037, 22129.
[10] Es werden mehrere Ansichten über Imam Aḥmad überliefert und die für die hanbalitische Rechtsschule maßgebliche Meinung ist, dass in Nahrung zu entrichten ist.
[11] Sahih al-Buchārī, Kapitel 24, Hadithnr. 1508; Sahih Muslim, Kapitel 12, Hadithnr. 985; Sunan Abī Dāwūd, Kapitel 9, Hadithnr. 1616; Jāmiʿ al-Tirmiḏī, Kapitel 7, Hadithnr. 673; Sunan al-Nasāʾī, Kapitel 23, Hadithnr. 2517.