Wo ist Allah? | Sh. Muhammad ad-Dadaw

Scheich Muhammad al-Hassan al-Dadaw: Mit der Aussage „Bestätigung (des īmān) durch die Zunge“ ist gemeint, dass man grundsätzlich die Schahada mit der Zunge ausspricht. Ist die Person jedoch nicht imstande zu sprechen, weil sie z.B. stumm ist, dann ist sie entschuldigt. Wenn man aufgrund ihres Zustandes über sie weiß, dass sie Gewissheit über ihren Glauben im Herzen hat und ihre Gesten auch darauf hinweisen, dann genügt dies für sie. Denn als der Prophet ﷺ die Sklavin, die der Mann befreien wollte, fragte: „Wo ist Allah?“, zeigte sie mit ihrem Finger zum Himmel. Er fragte sie anschließend: „Wer bin ich?“ Sie antwortete: „Der Gesandte Allahs.“ Sodann sagte er (ﷺ) zum Mann (der sie als Sklavin hielt): „Befreie sie, denn ist eine Gläubige.[1][2] Die Sklavin sprach also nicht (um die Frage zu beantworten), sondern zeigte mit ihrem Finger zum Himmel. Hinsichtlich der Gestik sprachen wir darüber bereits, inwiefern sie mit der Richtung zusammenhängt.

Ich möchte generell die Brüder und Schwestern darauf aufmerksam machen, dass die Unterscheidung zwischen der verborgenen und sichtbaren Welt wichtig ist, insbesondere in dieser Angelegenheit. Das Herz beinhaltet die natürliche Veranlagung (fiṭra), dass Allah ﷻ erhaben über Seine Schöpfung ist. Es existieren 18 Koranverse und ca. 130 Hadithe, die die Eigenschaft der Erhabenheit[3] (ʿulūw) Allahs ـ erwähnen oder darauf hinweisen.

Jedenfalls zeigte die Sklavin mit ihrem Finger zum Himmel, um die Erhabenheit (Allahs) zu bestätigen (als Eigenschaft). Nehmen wir mal an, einer anderen Sklavin, die sich auf der anderen Seite der Erdkugel befindet, wird die Frage „Wo ist Allah?“ gestellt, so wird sie nicht in die gleiche Richtung zeigen, in der die vorige Sklavin (die im Hadith erwähnt wird) zeigte. Vielmehr wird sie zum Himmel zeigen, den sie meint und auf den sie sich bezieht. Es ist daher möglich, dass ihre Füße genau gegenüberliegend zu den Füßen der anderen Sklavin sind und zwar in beiden Richtungen der Erde. Die erste zeigt mit ihrem Finger so und die andere wiederum so.[4] Und doch haben beide zur Erhabenheit (Allahs) gezeigt. Anhand dieses Beispiels kennt man also den Unterschied zwischen der verborgenen und sichtbaren Welt und die Angelegenheiten der Gottesverkörperung (Korporealismus) und der Beschränkung (Allahs in eine bestimmte Richtung) haben sich damit erledigt. Denn Allah ist nicht durch eine Richtung begrenzt, wie wir bereits erwähnten.

وَهُوَ العَلِيُّ، لا تَحُدُّه جِهَهْ (ضَلَّ المعَطِّلةُ والمُشَبِّههْ)

„Er ist der Erhabene und Ihn grenzt keine Richtung ein (möge Er die Muʿaṭṭila – diejenigen, die Ihm Seine Eigenschaften absprechen – und die Muschabbiha – diejenigen, die Ihn mit der Schöpfung vergleichen – in die Irre gehen lassen).“[5]

Mit diesem Beispiel löst man jegliche Verständnisschwierigkeiten auf. Viele Brüder und Schwestern beharren (leider) immer noch darauf, ihren Kindern dies beizubringen, damit sie wie die Sklavin antworten. Sodann glauben sie (die Eltern), dass dies die höchste Stufe des īmān ist, also dass sie ihr Kind fragen „Wo ist Allah?“ und dieses „Über[6] () den Himmel“ antwortet, obwohl die Sklavin nicht zu den Leuten des starken īmān gehört. Schließlich zeigen alle Leute des īmān aufgrund ihrer natürlichen Veranlagung (fiṭra) mit ihren Fingern in die Höhe. Sie drücken damit nicht aus, dass der Himmel Allah umfasst. Denn Allah ﷻ ist über alle hohen Himmel und sie alle werden mit nur einem Griff (in Seiner Hand) sein.

„Sie haben Allah nicht richtig nach seinem Wert geschätzt (und leugnen, was Er vorherbestimmte). Die ganze Erde (mit allem, was auf ihr ist) wird am Tag der Auferstehung mit nur einem Griff (in Seiner Hand) sein, und die Himmel wird Er eingerollt in Seiner Rechten halten. Gepriesen sei Er, und erhaben ist Er, über das, was sie (Ihm) beigesellen.“ (39:67)

Er ist der Majestätische ﷻ und größer und mächtiger (als das, was sie Ihm zuschreiben). Deshalb ist es notwendig, in dieser Sache zwischen der verborgenen und sichtbaren Welt zu unterscheiden.

[1] Der Hadith wurde mehrfach unterschiedlich überliefert: In einer Version in Sahih Muslim (Kapitel 5, Hadithnr. 537) und Sunan Abī Dāwūd (Kapitel 22, Hadithnr. 3282) antwortete die Sklavin sprechend auf alle Fragen. In einer weiteren Version in Sunan Abī Dāwūd (Kapitel 22, Hadithnr. 3284) zeigte die Sklavin mit ihrem Finger zum Himmel und als er ﷺ sie danach fragte: „Wer bin ich?“, zeigte sie auf ihn und auf den Himmel (um auszudrücken, dass er der Gesandte Allahs ist).

[2] Sunan Abī Dāwūd, Kapitel 22, Hadithnr. 3282; al-Ḏahabī, Al-ʿUlūw, Hadithnr. 20, Edition: Aḍwāʾ al-Salaf.

[3] Die rein sprachliche Übersetzung dieses Begriffs lautet „Höhe“.

[4] Der Scheich zeigt mit einem Zeigefinger nach oben und mit dem anderen nach unten.

[5] Muḥammad Sālim ʿAdūd, Manẓūmat ǧumlat al-ʿaqāʾid ʿalā ṭarīq as-salaf al-amāǧid, Zeile 75.

[6] Das Wort „“ kann je nach Kontext neben „über“ auch mit „im“ übersetzt werden. In Bezug auf Allah und Seine Eigenschaften kann jedoch nur die erstgenannte Übersetzung die richtige sein, weil „im“ bedeuten würde, dass Ihn der Himmel umfasse bzw. Er sich darin befinde. Dies würde wiederum heißen, dass Er Seinem Wesen (ḏāt) nach sich anpassen (taḥwīl) müsste. Dies ist allerdings falsch, so wie es der Scheich in seinen Unterrichten mal erwähnte. Wir suchen Zuflucht bei Allah! Nichts ist im gleich (42:11).

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