König Abdullah II. bin al-Hussein: Meine Freunde! Friede, Allahs Gnade und Segen seien mit Ihnen (As-Salāmuʿalaikum wa raḥmatullāhi wa barakātuhu)!
Auf diese Weise grüßen Muslime und Araber andere Menschen mit dem Wunsch, dass der andere mit Frieden und der Barmherzigkeit Allahs gesegnet sein möge. Unsere Religion kam mit einer Botschaft des Friedens. Der ʿUmar-Pakt, der vor fast 15 Jahrhunderten, mehr als tausend Jahre vor den Genfer Konventionen, vor den Toren Jerusalems geschlossen wurde, sah für die muslimischen Soldaten vor, kein Kind, keine Frau und keinen alten Menschen zu töten, keinen Baum zu zerstören, keinen Priester zu verletzen und keine Kirche zu zerstören. Das sind die Einsatzregeln, die die Muslime akzeptieren und einhalten müssen, wie es auch alle tun sollten, die an unsere gemeinsame Menschlichkeit glauben. Alle zivilen Leben sind wichtig! Meine Freunde, ich bin empört und betrübt über die Gewaltakte, die gegen unschuldige Zivilisten im Gazastreifen, im Westjordanland und in Israel verübt werden. Die unerbittliche Bombardierung des Gazastreifens gerade in diesem Moment ist grausam und skrupellos, nämlich in jeder Hinsicht! Es ist eine kollektive Bestrafung eines belagerten und hilflosen Volkes. Dies ist ein eklatanter Verstoß gegen das Humanitäre Völkerrecht. Es ist ein Kriegsverbrechen! Doch je tiefer die Krise und die Grausamkeiten sind, desto weniger scheint sich die Welt dafür zu interessieren. Überall sonst würden Angriffe auf zivile Infrastrukturen und der vorsätzliche Entzug von Nahrungsmitteln, Wasser, Strom und lebensnotwendigen Gütern für die gesamte Bevölkerung verurteilt werden. Die Rechenschaftspflicht würde sofort und unmissverständlich durchgesetzt werden. Das hat es schon einmal gegeben – vor kurzem in einem anderen Konflikt, aber nicht in Gaza. Vor zwei Wochen hat Israel die vollständige Belagerung des Gazastreifens in Kraft gesetzt. Und immer noch herrscht größtenteils weltweites Schweigen. Doch die Botschaft, die die arabische Welt hört, ist laut und deutlich: „Das Leben der Palästinenser zählt weniger als das der Israelis. Unser Leben ist weniger wichtig als das anderer Menschen. Die Anwendung des Völkerrechts ist freiwillig. Und Menschenrechte haben Grenzen – sie machen an Landesgrenzen, an Rassen und an Religionen halt.“ Das ist eine sehr, sehr gefährliche Botschaft, denn die Folgen einer anhaltenden internationalen Apathie und Untätigkeit werden katastrophal sein – für uns alle. Meine Freunde, wir dürfen nicht zulassen, dass rohe Emotionen den Moment diktieren. Unsere Prioritäten sind heute klar und dringend:
- Die sofortige Beendigung des Krieges gegen Gaza, der Schutz der Zivilbevölkerung und die Verabschiedung einer einheitlichen Position, die die unterschiedslose Verurteilung aller Zivilisten im Einklang mit unseren gemeinsamen Werten und dem Völkerrecht vorsieht. Es verliert seinen Wert, wenn es wählerisch angewendet wird.
- Die kontinuierliche und ununterbrochene Lieferung von humanitärer Hilfe, Treibstoff, Nahrungsmitteln und Medikamenten in den Gazastreifen.
- Die unmissverständliche Ablehnung der Zwangsumsiedlung oder internen Vertreibung der Palästinenser. Dies ist ein Kriegsverbrechen nach dem Völkerrecht und eine rote Linie für uns alle.
Dieser Konflikt, meine Freunde, hat nicht vor zwei Wochen begonnen, und er wird nicht aufhören, wenn wir diesen blutigen Weg weitergehen. Wir wissen nur zu gut, dass er nur zu mehr vom Gleichen führen wird – ein Nullsummenspiel aus Tod und Zerstörung, aus Hass und Hoffnungslosigkeit, das sich ständig wiederholt. Heute lässt Israel die Zivilbevölkerung in Gaza buchstäblich verhungern, aber seit Jahrzehnten haben die Palästinenser keine Hoffnung, keine Freiheit und keine Zukunft mehr. Denn wenn die Bomben aufhören zu fallen, wird Israel nie zur Rechenschaft gezogen, die Ungerechtigkeiten der Besatzung gehen weiter und die Welt schaut weg, bis zur nächsten Runde der Gewalt. Das Blutvergießen, das wir heute erleben, ist der Preis dafür, dass es nicht gelingt, greifbare Fortschritte auf dem Weg zu einem politischen Horizont zu erzielen, der Frieden für Palästinenser und Israelis gleichermaßen bringt.
Die israelische Führung muss begreifen, dass es keine militärische Lösung für ihre Sicherheitsbedenken gibt, dass sie die fünf Millionen Palästinenser, die unter ihrer Besatzung leben und denen ihre legitimen Rechte verweigert werden, nicht weiter ausgrenzen kann und dass das Leben der Palästinenser nicht weniger wert ist als das der Israelis.
Die israelische Führung muss ein für alle Mal erkennen, dass ein Staat niemals gedeihen kann, wenn er auf dem Fundament der Ungerechtigkeit aufgebaut ist. In den letzten 15 Jahren haben wir gesehen, wie sich die Träume von einer Zweistaatenlösung und die Hoffnungen einer ganzen Generation in Verzweiflung verwandelt haben. Dies war die Politik der israelischen Hardliner, die sich ausschließlich auf die Sicherheit und nicht auf den Frieden konzentrierten und vor Ort neue illegale Gegebenheiten schufen, die einen autonomen palästinensischen Staat nicht lebensfähig machten. Auf diese Weise hat sie Extremisten auf beiden Seiten gestärkt.
Wir dürfen und können aber diesen Konflikt nicht als zu weit fortgeschritten abschreiben, sowohl im Interesse der Palästinenser als auch der Israelis. Unsere gemeinsame und einheitliche Botschaft an das israelische Volk sollte lauten:
Wir wollen eine Zukunft in Frieden und Sicherheit für euch und die Palästinenser, in der eure und die palästinensischen Kinder nicht mehr in Angst leben müssen! Es ist unsere Pflicht als internationale Gemeinschaft, alles zu tun, was nötig ist, um einen sinnvollen politischen Prozess wieder in Gang zu bringen, der uns zu einem gerechten und dauerhaften Frieden auf der Grundlage der Zweistaatenlösung führen kann. Der einzige Weg zu einer sicheren Zukunft für die Menschen im Nahen Osten und in der ganzen Welt – für Juden, die Christen und die Muslime – beginnt mit der Überzeugung, dass jedes menschliche Leben gleich viel wert ist, und endet mit zwei Staaten, Palästina und Israel, die sich Land und Frieden vom Fluss bis zum Meer teilen. Die Zeit zum Handeln ist jetzt gekommen! Ich danke Ihnen allen.
Friede, Allahs Gnade und Segen seien mit Ihnen (Wa as-Salāmuʿalaikum wa raḥmatullāhi wa barakātuhu)!