Ischa oder Tarawih – Was zuerst beten? | Sh. Muhammad ad-Dadaw

Moderator: Er kam (zur Moschee), um das ʿIschāʾ zu verrichten, fand den Imam jedoch vor, wie er Tarāwīḥ vorbetet. Darf er sich diesem Gebet anschließen (aber ʿIschāʾ beten)?

Scheich Muhammad al-Hassan al-Dadaw: Diese Angelegenheit ist eine Meinungsverschiedenheit unter den Gelehrten. Es ist richtiger (rājiḥ), wenn er das ʿIschāʾ-Gebet für sich verrichtet, ohne den Imam zu stören und sobald er fertig ist, schließt er sich ihm an, um Tarāwīḥ mit der Gemeinschaft zu beten und erfasst, was er erfassen kann.[1] Auf diese Weise verlässt er die Meinungsverschiedenheit (und dies überwiegt). Es ist umstritten, ob man ein Pflichtgebet hinter einem Imam verrichten darf, der ein freiwilliges Gebet verrichtet. Die Hanafiten und Malikiten sehen dies als ungültig an, da der Prophet ﷺ sagte:

…إِنَّمَا جُعِلَ الْإِمَامُ لِيُؤْتَمَّ بِهِ

„Der Imam ist dafür da, um gefolgt zu werden…“[2]

Das ist die essentielle Bedeutung des Vorbeters. Daher könne sich die Absicht des Betenden nicht mit der Absicht des Imams vermischen, sodass ein jeder ein anderes Gebet verrichtet. Bei den Schafiiten und Hanbaliten hingegen ist dies aber möglich. Sie sehen keine Bindung zwischen dem Imam und demjenigen, der hinter ihm betet.[3] Derjenige, der ein Pflichtgebet verrichtet, könne dies auch tun, indem er sich einem Vorbeter anschließt, der ein freiwilliges Gebet verrichtet. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Art und Weise des Gebets des Imams sich vom Gebet desjenigen, der sich ihm anschließt, nicht unterscheidet.[4] Somit ist die Angelegenheit eine legitime Meinungsverschiedenheit, aber es ist besser und sicherer, sich dem Imam nicht anzuschließen und alleine (ʿIschāʾ) zu beten, wie wir bereits erwähnten.

Moderator: Scheich, was ist, wenn jemand beten will und sich unsicher ist, ob das gerade stattfindende Gebet ein Tarāwīḥ– oder ʿIschāʾ-Gebet ist?

Dadaw: Dann wartet er ab, bis der Imam in die Verbeugung (rukūʿ) geht und danach wird sich dies herausstellen. Wenn er sieht, wie der Imam sie in die Länge zieht oder seine Rezitation hört, weiß er es (dass es ein Tarāwīḥ-Gebet ist).

[1] Auch wenn er z.B. bereits eine Gebetseinheit (rakʿa) verpasst hat, schließt er sich dem Imam trotzdem an und vervollständigt dann das Gebet selbst.

[2] Sahih al-Buchārī, Kapitel 8, Hadithnr. 378, Kapitel 10, Hadithnr. 688 f., 732 ff., 805, Kapitel 18, Hadithnr. 1113 f., Kapitel 22, Hadithnr. 1236; Sahih Muslim, Kapitel 4, Hadithnr. 411 f., 417; Sunan Abī Dāwūd, Kapitel 2, Hadithnr. 601 ff.; Jāmiʿ al-Tirmiḏī, Kapitel 2, Hadithnr. 361; Sunan Ibn Mājah, Kapitel 5, Hadithnr. 846, 1237 ff.; Sunan al-Nasāʾī, Kapitel 10, Hadithnr. 794, 832, Kapitel 11, Hadithnr. 921, Kapitel 12, Hadithnr. 1061.

[3] Weitere Beweise u.a.: Sahih al-Buchārī, Kapitel 78, Hadithnr. 6106; Sahih Muslim, Kapitel 4, Hadithnr. 465; Sunan Abī Dāwūd, Kapitel 2, Hadithnr. 790.

[4] Gemeint ist, dass das Gebet sich in der Art und Weise des Ablaufes nicht unterscheidet, z.B. sind das Toten- oder Regengebet solche Gebete, bei denen man sich üblicherweise nicht anschließt, um ein anderes Gebet zu verrichten.

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