Moderator: Das Urteil über die Freundschaftsehe?
Scheich Muhammad al-Hassan al-Dadaw: Was bedeutet diese? „Frind“ (im Arabischen) ist die Hohlkehle eines Messers oder Schwertes.
Moderator: Nein, es ist ein englisches Wort („friend“). Es steht für Freund. Es liegt dem Gedanken zugrunde, dass zwei Jugendliche (im heiratsfähigen Alter) islamkonform miteinander heiraten. Jedoch bleiben beide jeweils wohnhaft bei ihren Familien und treffen sich, wann immer sie möchten, da sie noch nicht in der Lage sind, eine Unterkunft zu finanzieren etc. – bis Allah es ihnen erleichtert und ermöglicht.
Dadaw: Diese Form von Ehe stellt kein Problem dar. Denn beide benötigen bzw. möchten keine (eigene) Unterkunft, sondern sich Zeit lassen, bis sie bereit dafür sind. Sie könnten beide z.B. noch Schüler oder Studenten sein etc. Hier gibt es keine Bedenken.
Moderator: Einige sahen darin ein Problem, Scheich. Vielleicht zeigt sich die Ehe anfangs als leicht, was ist aber, wenn ein Kind dazukommt? Sie besitzen keine eigene Unterkunft…wo soll das Kind hin?
Dadaw: Das Kind kann von den Großeltern aufgezogen werden, bis der Vater eine Unterkunft findet. Das gleicht, was wir vorhin erwähnten: Es ist besser als eine lange Verlobung, die sich hinauszieht. Wenn er sich mit ihr (nur) verloben und sie als Verlobte viel Zeit miteinander verbringen bzw. eine lange Zeit vergehen würde, so bestünde die Gefahr, möge Allah bewahren, dass man in Schamlosigkeit und Verwerflichkeit fällt (Unzucht u.Ä.).
Moderator: Hier der Kommentar eines zeitgenössischen Gelehrten, der sagte:
إن إكساب العلاقة الآثمة بين الشاب والفتاة صفة شرعية بعقد زواج صوري شيء مخجل ومفزع
„Einem sündhaften Verhältnis zwischen einem Jungen und einem Mädchen durch eine fiktive (und damit ungültige) Eheschließung eine islamkonforme Stellung zu verleihen ist eine furchtbare und entsetzliche Sache.“
Dadaw: Es ist aber keine fiktive, sondern eine gültige Eheschließung. Sie umfasst alle Notwendigkeiten. Wenn er z.B. verstirbt, erbt sie von ihm und umgekehrt. Alle Rechten und Pflichten einer Ehe gelten zwischen ihnen beiden – auch die Regeln der Nachkommenschaft.
Moderator: Kann man sagen: „Ja, es ist eine Art des Zusammenlebens, die Ehe ist gültig und die Voraussetzungen sind vollständig erfüllt. Jedoch sollte man dies nicht ausweiten und nur wirklich dann darauf zurückgreifen, wenn man um sich selbst fürchtet (eine Sünde zu begehen)?“ Öffnet man nämlich Tür und Tor hierfür, werden die Menschen die gewöhnliche Ehe aufgeben und führen alle dann eine Freundschaftsehe. Sie gestaltet sich nämlich einfach: Der Mann ist bei seiner Familie, die Frau bei ihrer und jeder ist glücklich damit. Wann immer seine Begierde kommt, geht er zu ihr usw.
Dadaw: Es ist nicht möglich, das Versperren der Wege bzw. Mittel zum Verbotenen[1] (sadd aḏ-ḏarāʾiʿ) hochzuspielen, diese bleiben offen.
[1] Im engeren Sinne bezieht sich „sadd aḏ-ḏarāʾiʿ“ auf das Versperren einer Handlung, die nicht per se verboten ist, es aber sicher oder sehr wahrscheinlich ist, dass ihre Vornahme zu einem Ergebnis führt, das von der Scharia als Unheil gesehen wird oder eine unerlaubte Handlung mit sich bringt.