Einheitliches Fasten | Sh. Muhammad ad-Dadaw

Moderator: Scheich, in unserer heutigen Zeit erreicht eine Nachricht die Muslime in der gesamten Welt innerhalb einer Minute. Gleichzeitig wird überliefert, dass ein Gelehrter in Andalus gestorben ist und die Nachricht über seinen Tod Marokko erst nach drei Monaten erreicht hat, obwohl er zu den großen Gelehrten zählte. Berücksichtigt man diese Veränderung und Verbreitung von Nachrichten und das Ansehen der Muslime gegenüber anderen (Andersgläubigen), wäre es dann nicht besser, wenn wir heute diejenige Meinung auswählen, dass ein Sichtungsergebnis des Mondes für die ganze Welt bindend ist? Man könnte doch z.B. die Zeit von Umm al-Qurā nehmen, was das edle Mekka wäre.

Scheich Muhammad al-Hassan al-Dadaw: Die Vereinheitlichung der Sichtung ist sehr schwer umzusetzen. Denn wir können die Muslime z.B. nicht auf eine Gebetszeit einigen und sagen: „Betet alle Fajr um diese Zeit, der weltweit festgelegten Zeit. Oder: Betet Ẓuhr, ʿAṣr, Maġrib oder ʿIschāʾ zu dieser und jener Zeit.“ Das ist unmöglich, da ihre Zeiten verschieden sind. Genauso sind die Sichtungspunkte des Mondes verschieden. Deswegen können wir nicht sagen, dass die Türkei gleichzeitig mit Japan zu fasten hat.

Moderator: Ist das keine anerkannte Meinung bei den Gelehrten?

Dadaw: Was die Angelegenheit der Berechnung und die allgemeine Sichtung angeht, so haben viele Fakihs zwei wichtige Angelegenheiten erwähnt. Die Mehrheit der Fakihs ist der Meinung, dass eine allgemeine Sichtung gelte (erste Meinung). Wenn sich bestätigt hat, dass der Mond in irgendeinem Ort gesehen wurde, so ist dies für jeden, den dies(e Nachricht) erreicht, bindend (er muss fasten).

Die zweite Meinung lautet, dass sie (die Sichtung) auf die Leute des eigenen Landes beschränkt ist, jedes Land also seine eigene Sichtung vorzunehmen habe. Muslim überliefert in seinem Sahih-Werk den Hadith von Kuraib, dass Umm al-Faḍl ihn nach Syrien (bzw. Damaskus) zu Muʿāwiya sandte. Später (in Medina) begegnete er ʿAbdullāh b. ʿAbbās, der ihn fragte: „Wann habt ihr den Neumond gesehen?“ „Am Freitag Vorabend haben wir ihn gesehen“, antwortete er. Sie fasteten und Muʿāwiya, der Kalif, ebenfalls. Ibn ʿAbbās sagte: „Wir hingegen haben ihn am Vorabend des Samstags gesehen. Deshalb werden wir so lange fasten, bis wir den Neumond sehen oder dreißig Tage vollendet haben. […] So befahl es uns der Gesandte Allahs () .“[1]

Deswegen hat al-Nawawī in seinem Kommentar zu „Sahih Muslim“ folgende Überschrift zu diesem Hadith hinzugefügt: „Kapitel: Jedes Land hat seine eigene Sichtung“. Das Problem ist die Grenzbestimmung der Länder. Manche Gelehrte sagen, dass die Grenzen eine politische Sache seien und dem zugerechnet werden, was unter der Herrschaft einer Person stehe. Und zur Zeit von Muʿāwiya gehörte Medina zu seinem Herrschaftsgebiet.

Moderator: Ihre Meinung ist also, dass es besser ist, wenn verschiedene Sichtungspunkte genommen werden?

Dadaw: (Genau) Verschiedene Sichtungspunkte, verschiedene Zeiten. Die Länder, die dieselbe Uhrzeit haben und in denen der Neumond gesichtet wurde, fasten zur gleichen Zeit. Bei den Ländern aber, die unterschiedliche Zeiten haben, z.B. eine Stunde Unterschied, müssen die eigenen Sichtungspunkte berücksichtigt werden. Das ist meine Meinung. Natürlich sehen manche Gelehrte, dass es allgemein gilt (erste Meinung).

[1] In leicht unterschiedlichen Wortlauten: Sahih Muslim, Kapitel 13, Hadithnr. 1087; Sunan Abī Dāwūd, Kapitel 14, Hadithnr. 2332; Jāmiʿ al-Tirmiḏī, Kapitel 8, Hadithnr. 693; Sunan al-Nasāʾī, Kapitel 22, Hadithnr. 2111.

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