Scheich Muhammad al-Hassan al-Dadaw: Die Menstruation (der Frau) ist ein Hinderungsgrund für die Gültigkeit der Scheidung. Sie ist in diesem Fall ḥarām! Es ist dem Mann nicht erlaubt, seine Ehefrau in diesem Zustand zu scheiden. Wenn er also die Scheidung vornahm, während sie ihre Periode hatte, dann herrscht eine Meinungsverschiedenheit, ob diese Scheidung gültig ist. Wenn er sie aber scheidet, während er abwesend ist, z.B. ist er in Amerika und sendet[1] ihr die Scheidung, ohne zu wissen, ob sie sich im unreinen oder reinen Zustand befindet, dann ist die Scheidung bindend nach der richtigeren Ansicht. Die Mehrheit der Gelehrten sieht die Scheidung der menstruierenden Frau als bindend, Neuerung (bidʿa) und ḥarām an. Damit ist der Mann ein Sünder. Handelt es sich um die erste oder zweite Scheidung, dann ist er verpflichtet, diese zu widerrufen. Denn der Prophet ﷺ sagte zu ʿUmar (b. al-Khaṭṭāb):
„Befehle ihm (ʿAbdullāh b. ʿUmar), er soll sie wieder zu sich nehmen und die Scheidung erst dann aussprechen, bis sie wieder rein wird, dann wieder ihre Menstruation bekommt und (hierauf) wieder rein wird. Er kann sie danach scheiden oder behalten.“
Es herrscht also eine Meinungsverschiedenheit, ob die Scheidung der menstruierenden Frau gültig ist. Die Mehrheit der Gelehrten, darunter die vier Imame, sehen eine solche Scheidung als ḥarām, aber gültig, an.
Moderator: Was ist ihr Beweis?
Dadaw: Ihr Beweis ist, dass er (der Mann) die Scheidung tätigte und dass Allah sagte:
„Wenn er sich (ein drittes, unwiderrufliches Mal) von ihr scheidet, dann ist sie ihm nicht mehr (als Gattin) erlaubt, bevor sie nicht einen anderen Mann geheiratet hat…“ (2:230)
Der Mann hat sie geschieden und Allah ließ unberücksichtigt, ob die Frau sich im gereinigten Zustand befindet oder während der Menstruation oder im Wochenbett. Es gibt zwei Überlieferungen über Ibn ʿUmar. In einer Version wurde die Scheidung gewertet, in der anderen wiederum nicht.
Moderator: Lassen Sie uns gerade den Hadith vortragen, damit die Zuschauer Bescheid wissen. Der Hadith befindet sich in „(Sunan) Abī Dāwūd“.
Dadaw: Der Hadith befindet sich auch in den beiden Sahih-Werken[2], aber mit unterschiedlichen Wortlauten.[3]
Moderator: (ʿAbdur-Raḥmān b. Aiman, Klient von ʿUrwa, fragte Ibn ʿUmar und Abū al-Zubair hörte dabei zu)
كَيْفَ تَرَى فِي رَجُلٍ طَلَّقَ امْرَأَتَهُ حَائِضًا قَالَ طَلَّقَ عَبْدُ اللَّهِ بْنُ عُمَرَ امْرَأَتَهُ وَهِيَ حَائِضٌ عَلَى عَهْدِ رَسُولِ اللهِ ﷺ فَسَأَلَ عُمَرُ رَسُولَ اللَّهِ ﷺ (فَقَالَ إِنَّ عَبْدَ اللَّهِ بْنَ عُمَرَ طَلَّقَ امْرَأَتَهُ وَهِيَ حَائِضٌ) قَالَ عَبْدُ اللَّهِ فَرَدَّهَا عَلَىَّ وَلَمْ يَرَهَا شَيْئًا وَقَالَ ” إِذَا طَهُرَتْ فَلْيُطَلِّقْ (قَبْلَ أَنْ يَمَسَّ)[4] أَوْ لِيُمْسِكْ
„‚Was meinst du zu einem Mann, der seine Frau scheidet, während sie sich in ihrer Menstruation befindet?‘ Er antwortete: ‚ʿAbdullāh b. ʿUmar schied seine Frau zu Lebzeiten des Gesandten Allahs ﷺ, während sie ihre Menstruation hatte.‘ Sodann fragte ʿUmar den Gesandten Allahs ﷺ (und sagte: ‚ʿAbdullāh b. ʿUmar hat sich von seiner Frau während ihrer Menstruation geschieden.‘). ʿAbdullāh sagte: ‚Er gab sie mir dann (als Frau) zurück und wertete sie (die Scheidung) nicht.‘ Dann sagte er (ﷺ): ‚Sobald sie rein geworden ist, möge er sie (ohne zuvor mit ihr zu verkehren)[5] scheiden oder behalten.‘“[6]
Sie (die Gelehrten) sagten, dass dies(e Worte des Propheten) klar genug sei(en) und die Scheidung nicht gezählt wird.
Dadaw: Die Version in „Sunan al-Nasāʾī“ stimmt mit der eben erwähnten Überlieferung überein, dass die Scheidung nicht gewertet wurde. In den beiden Sahih-Werken[7] deuten die Versionen hingegen darauf hin, dass die Scheidung gewertet wurde.
Moderator: Die Scheidung war also gültig?
Dadaw: Ja.
عَنْ أَنَسِ بْنِ سِيرِينَ، قَالَ سَمِعْتُ ابْنَ عُمَرَ، قَالَ طَلَّقَ ابْنُ عُمَرَ امْرَأَتَهُ وَهْىَ حَائِضٌ، فَذَكَرَ عُمَرُ لِلنَّبِيِّ ﷺ فَقَالَ ” لِيُرَاجِعْهَا ”. قُلْتُ تُحْتَسَبُ قَالَ ” فَمَهْ ”. وَعَنْ قَتَادَةَ عَنْ يُونُسَ بْنِ جُبَيْرٍ عَنِ ابْنِ عُمَرَ قَالَ ” مُرْهُ فَلْيُرَاجِعْهَا ”. قُلْتُ تُحْتَسَبُ قَالَ أَرَأَيْتَ إِنْ عَجَزَ وَاسْتَحْمَقَ
Anas b. Sīrīn überlieferte, dass Ibn ʿUmar seine Frau schied, während sie ihre Menstruation hatte. So berichtete ʿUmar (b. al-Khaṭṭāb) den Gesandten Allahs ﷺ hierüber, der sagte: „Er soll sie zurückbehalten.“ Ich fragte ihn (Ibn ʿUmar): „Wird eine solche Scheidung gewertet?“ „Warum nicht?“, entgegnete er.
Qatāda überliefert von Yūnus b. Jubair, dass Ibn ʿUmar überlieferte: (Der Gesandte Allahs ﷺ sagte) „‚Befehle ihm, sie zurückzubehalten.‘ Ich fragte ihn (Ibn ʿUmar): ‚Wird eine solche Scheidung gewertet?‘ ‚Warum nicht?‘, entgegnete er, ‚war man denn unfähig (also ein Kind) oder etwa geisteskrank?‘“[8]
عَنْ سَعِيدِ بْنِ جُبَيْرٍ، عَنِ ابْنِ عُمَرَ، قَالَ حُسِبَتْ عَلَىَّ بِتَطْلِيقَةٍ
Saʿīd b. Jubair überliefert von Ibn ʿUmar, dass dieser sagte: „Meine (getätigte) Scheidung (während seine Frau sich im Zustand der Menstruation befand) wurde als eine gewertet.“[9]
Allgemein sehen einige Gelehrten die verbotene Scheidung (ṭalāq al-bidʿī) als ungültig an, darunter Sh. al-Islām b. Taimīya, Ibn al-Qaiyim und asch-Schaukānī. Ebenso sehen dies einige zeitgenössische Muftis, z.B. Sh. Ibn Bāz .
[1] Dies umfasst Brief, Fax oder elektronische Sendungen (E-Mail, Textnachricht).
[2] Sahih al-Buchārī, Kapitel 61, Hadithnr. 5251 ff.; Sahih Muslim, Kapitel 18, Hadithnr. 1471.
[3] In „Sahih Muslim“ finden sich mehr als 15 Versionen.
[4] Siehe Sunan Abī Dāwūd, Kapitel 13, Hadithnr. 2182; Sunan al-Nasāʾī, Kapitel 27, Hadithnr. 3389 f.
[5] Ebd.
[6] Sunan Abī Dāwūd, Kapitel 13, Hadithnr. 2185; Sunan al-Nasāʾī, Kapitel 27, Hadithnr. 3392.
[7] Sahih al-Buchārī, Kapitel 68, Hadithnr. 5252 f.; Sahih Muslim, Kapitel 18, Hadithnr. 1471.
[8] Ebd.
[9] Sahih al-Buchārī, Kapitel 68, Hadithnr. 5253; Sahih Muslim, ebd.