Die Scheidung durch die Frau im Islam | Sh. Muhammad ad-Dadaw

Moderator: Gibt es Fälle, in denen die Frau das Recht hat, die Scheidung selbst auszusprechen?

Scheich Muhammad al-Hassan al-Dadaw: Es gilt bei (der Schließung von) Eheverträgen grundsätzlich, dass diese wirksam und gültig bleiben. Eine Befristung, Unentschlossenheit oder Neigungen (bei der Vertragsschließung) sind daher unzulässig. Schließlich ist die Heirat ein Fundament, dessen Festigkeit (Beständigkeit) beabsichtigt wird. Allah ließ den Scheidungsausspruch weder ein Recht der Frau noch ein gemeinsames Recht der Ehepartner sein.[1] Es steht nur dem Mann zu,[2] weil die Emotionen der Frau oft ihre Vernunft übertrumpfen. Sie sagt etwas, was sie nicht wollte. Zum Beispiel verlangt sie eine Kleinigkeit und wenn der Ehemann diese in dem Moment nicht erledigt, sagt sie: „Lass dich von mir scheiden.“

Moderator: Obwohl sie die Scheidung eigentlich nicht wollte.

Dadaw: Genau. Viele Frauen verlangen die Scheidung und wenn man annehmen würde, dass dies gültig sei, würde sie in Trauer und Schmerz verfallen. Sie würde dann unter jedem Umstand verlangen zu ihrem Ehemann zurückkehren zu dürfen.

Moderator: Sie sagt dann: „Hast du mir etwa wirklich geglaubt?“

Dadaw: Genau.

Moderator: Scheich, nehmen wir mal folgende Konstellation an: Was ist, wenn der Ehemann als Vollmachtgeber die Frau bevollmächtigt? Liegt dann nicht das Recht der Scheidung (auch) in ihrer Hand?

Dadaw: Sobald er ihr die Sache überlässt, steht ihr das Recht zu. Sie kann sich selbst entscheiden (tamlīk) oder eine Wahl (takhyīr) treffen, wenn sie sich scheiden lässt. Er sagt zu ihr: „Dir steht zur Wahl bei mir zu bleiben oder dich von mir zu trennen.“ Trifft die Frau eine Wahl, so gilt dies nicht als Scheidung nach der richtigeren Ansicht (rājiḥ). Einige Gelehrte hingegen waren der Ansicht, dass die Wahlentscheidung der Frau als Scheidung zählt. Es ist umstritten (unter den Gelehrten), wie oft die (bevollmächtigte) Ehefrau sich scheiden lassen kann. Wenn sie sich nach der ersten Ansicht einmal scheiden lässt, so verwirkt sie ihr Recht (das ihr eingeräumt wurde). Denn er hat ihr die Wahl gegeben, bei ihm zu bleiben oder sich unwiderruflich von ihm zu trennen (firāq); dies gilt als dreimalige Scheidung. Nach der zweiten Ansicht steht ihr aufgrund der Vollmacht zu, sich bis zu dreimal von ihrem Ehemann scheiden zu lassen. Wenn sie also „Ich habe mich selbst oder meine Eltern ausgewählt“ sagt, dann gilt dies als unwiderrufliche (dreifache) Scheidung[3]. Wir erwähnten eben zwei Unterfälle der Wahl (takhyīr).

Die zweite Art der Vollmacht ist die Entscheidungsbefugnis (tamlīk). Dies ist, wenn er zu ihr „Die Entscheidung (dich scheiden zu lassen) liegt in deiner Hand“ oder „Hiermit bevollmächtige ich dich, dich selbst scheiden zu lassen“ sagt. In diesem Fall steht ihr das Recht zu sich bis zu dreimal scheiden zu lassen, es sei denn, er hat (in der Vollmacht) die Anzahl der Scheidungen festgelegt. Wenn er „Hiermit bevollmächtige ich dich, eine Scheidung nach der Sunna zu vollziehen“ sagt, dann ist eine zweite oder dritte Scheidung ungültig.[4] Schließlich wird die die Scheidung des Mannes nach der Sunna nur einmal nach jeder Reinigung (nach einer Menstruation) ausgesprochen, ohne dass er zuvor mit der Ehefrau verkehrte.

[1] Die Frau kann grundsätzlich die Scheidung nicht direkt aussprechen, jedoch kann sie sich mittels eines Kadis oder Imams in einem Islamischen Zentrum scheiden lassen (tafrīq). Oder sie trennt sich von ihrem Mann, er stimmt dem zu und sie zahlt die Brautgabe (mahr) zurück (sog. Selbstloskauf, khulʿ). Will sie die Scheidung aussprechen können, muss er sie hierzu bevollmächtigen. Lässt er sich von ihr scheiden, hat er keinen Anspruch auf die Brautgabe.

[2] Sunan Ibn Mājah, Kapitel 10, Hadithnr. 2081; siehe auch al-Ṭabarānī, Al-Muʿǧam al-kabīr, Band 11, Seite 300 f., Hadithnr. 11800, Edition: Maktabat Ibn Taimīya.

[3] Die dritte Scheidung nennt man „die Trennung der großen Art (bainunat al-kubrā)“. Sie ist unwiderruflich.

[4] Denn die Grenzen der Vollmacht wurden überschritten.

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