Moderator: Wie sieht es mit dem Scheidungsausspruch des Mannes aus, wenn er wütend ist?
Scheich Muhammad al-Hassan al-Dadaw: Der Wütende ist von dreierlei Art, so wie Ibn al-Qaiyim sagte.
Die einfache Wut: Hier beherrscht sich die Person noch und ihre Handlungen. So wie wenn man einkaufen geht usw. und wütend ist. Hier sind seine Handlungen vergangen und gültig, somit auch die Scheidung.
Die letzte Stufe (der Wut) ist diejenige, dass man den Verstand verliert und zwischen oben und unten nicht unterscheiden kann. Dies ist bei starker Eifersucht (oft) der Fall.
إِنَّ الْغَيْرَى لَا تُبْصِرُ أَسْفَلَ الْوَادِي مِنْ أَعْلَاهُ
„Derjenige, der sehr eifersüchtig ist, sieht den Anfang und das Ende eines Tals nicht“, so der Prophet ﷺ.l[1]
Deswegen nimmt die Person dann auch Handlungen vor, die sie (später) ablehnt bzw. bereut. Dies ist der Fall, wenn die Eifersucht sehr stark ausgeprägt ist. Oft kommt diese Form des Wutzustands nur wirklich dann vor, wenn die Person eifersüchtig ist.
Die zweite Stufe ist eine Wut, bei der die Person Aussagen tätigt und Taten begeht, die sie eigentlich nicht wollte.
Moderator: Die Person ist sich aber dessen bewusst, was sie sagt.
Dadaw: Ja, dies ist jedoch eine Glut des Teufels. Diese mittlere Form der Wut ist diejenige, über die Meinungsverschiedenheit herrscht, so wie es Ibn al-Qaiyim erwähnte.
Moderator: Die erste Form ist klar. Es sind gewöhnliche Handlungen (die Scheidung bleibt gültig). Was ist das Unterscheidungsmerkmal zwischen der zweiten und dritten Form, sodass der Kadi weiß welche Form der Wut vorliegt? Handlungen wie Rumgeschreie etc. können ja die zweite und die dritte Form sein.
Dadaw: Gemeint ist, dass er seinen Verstand gänzlich verliert, sodass er sich seinen Worten nicht bewusst ist.
Moderator: Entscheidet der Wütende selbst über seinen Zustand (welche Stufe) oder jemand anderes?
Dadaw: Nein, die Menschen, die ihn gesehen haben, entscheiden über seinen Zustand. Sie wissen, ob er noch von Verstand ist oder nicht. Wenn er sich selbst ins Feuer wirft oder von einem Dach springt, ohne sich dessen bewusst zu sein oder Ähnliches dieser starken Form von Wut, dann sagten einige Gelehrte, dass seine Scheidung ungültig ist.
Moderator: Dies ist nur bei der stärksten Form von Wut?
Dadaw: Ja.
Moderator: Darin sind sich die Gelehrten einig?
Dadaw: Nein, Ibn al-Qaiyim erwähnt hier eine Übereinstimmung der Gelehrten, aber die Malikiten sehen, dass die Scheidung gültig bleibt.
Moderator: Er (Ibn al-Qaiyim) erwähnte, dass die Scheidung einhellig ungültig ist.
Dadaw: Genau, aber bei den Malikiten gibt es einen Streitpunkt (bei ihnen bleibt die Scheidung trotzdem gültig).
Moderator: Selbst wenn die Person blind vor Wut ist?
Dadaw: Ja, selbst dann.
Moderator: Wie verstehen sie (die Malikiten) dann den Hadith (des Propheten)
لاَ طَلاَقَ وَلاَ عَتَاقَ فِي إِغْلاَقٍ
„Keine Scheidung und keine Freilassung (eines Sklaven), wenn man verschlossen (wütend) ist“[2]?
Dadaw: Dass die Scheidung in diesen Fällen lediglich verpönt (makrūh) ist. Deshalb behandeln die Malikiten, den „muḥnaq“ – derjenige, der die höchste Stufe der Wut erreicht hat – wie einen Betrunkenen.
Moderator: Der Betrunkene nahm ja aber etwas zu sich, dass ḥarām ist.
Dadaw: Sie behandeln ihn wie jemand, der betrunken ist. Folglich bleibt die Scheidung erst recht gültig.
Frage: Bleibt der Scheidungsausspruch desjenigen, der sehr wütend ist, gültig, sobald er zu seiner Ehefrau in einem Zug hintereinander „Du bist geschieden, geschieden, geschieden“ sagt?
Antwort: Der Scheidungsausspruch des Wütenden bleibt gültig (nach den Malikiten), da der Wütende eher seinen Verstand unter Kontrolle hat als der Betrunkene. Selbst der Scheidungsausspruch des Betrunkenen bleibt gültig laut der Mehrheit der Gelehrten. Deshalb ist die Wut im Falle der Scheidung kein Entschuldigungsgrund. Vielmehr ist die Scheidung aus Wut als Krankheitszustand zu verstehen, in dem der Mensch sich befindet und seine eigenen Handlungen sich zurechnen lassen muss. Genauso verhält es sich, wenn er einen Kaufvertrag abschließt, dann ist diese Handlung (rechts-)gültig. So ist auch die Scheidung im Falle von Wut gültig.
Scheidung, wenn man betrunken ist:
Imame Abū Ḥanīfa & Mālik: bleibt gültig.
Imame asch-Schāfiʿī & Aḥmad b. Ḥanbal: ungültig.
Anmerkung: Dieses Video gilt allgemein, dient zu Lernzwecken und kann nicht verwendet werden, um über den Zustand einer konkreten Ehe zu entscheiden. Hier bitte den Imam oder Mufti aufsuchen.
[1] Al-Saffārīnī, Šarḥ ṯalāṯīyāt musnad imām aḥmad, Band 1, Seite 707, Edition: Al-Maktab al-Islāmī.
[2] Sunan Ibn Mājah, Kapitel 10, Hadithnr. 2046, 2124; vgl. Sunan Abī Dāwūd, Kapitel 13, Hadithnr. 2193.