Na’il b. Hamid: Ich bitte euch, als Einstieg über den Vorzug des Wissens und der Gelehrten zu sprechen. Möge Allah euch segnen!
Scheich Muhammad al-Hassan al-Dadaw:
Allah ehrte den Menschen gegenüber den anderen Schöpfungen, so genießt er eine besondere Stellung. Er erschuf unseren Vater Ādam mit Seiner Rechten, beseelte ihn und ließ die Engel sich ihm niederwerfen. Zudem ließ Er ihn ein Statthalter (Kalif) auf dieser Erde sein und segnete seine Nachkommenschaft. Anlass für diese Ehrung (des Menschen) war, dass Allah einen Wettbewerb zwischen Ādam und den edlen Engel veranstaltete. Der Sieg unterlag dem Befehl Allahs und war zugunsten Ādams. Dieser Wettbewerb war nicht aufgrund des Wesens zu gewinnen. Schließlich bestehen die Engel aus Licht, wir (Menschen) aber aus Erde. In diesem Punkt können wir nicht mit ihnen konkurrieren. Auch war er nicht aufgrund der Religiosität. Denn die Engel dienen Allah ununterbrochen. Unsere Gottesdienste hingegen sind zeitlich begrenzt – so auch unsere Lebenszeit. Vielmehr war es ein Wettbewerb des Wissens. Allah sagte:
„Und Er lehrte Ādam die Namen alle. Hierauf legte Er sie den Engeln vor und sagte: ‚Teilt Mir deren Namen mit, wenn ihr wahrhaftig seid!‘ Sie sagten: ‚Preis sei Dir! Wir haben kein Wissen außer dem, was Du uns gelehrt hast. Du bist ja der Allwissende und Allweise.‘ Er sagte: ‚O Ādam, teile ihnen ihre Namen mit!‘ Als er ihnen ihre Namen mitgeteilt hatte, sagte Er: ‚Habe Ich euch nicht gesagt, Ich kenne das Verborgene der Himmel und der Erde, und Ich weiß auch, was ihr offenlegt und was ihr verborgen zu halten sucht?‘“ (2:31–33)
Ādam gewann diesen Wettbewerb mit Auszeichnung. Dies weist darauf hin, dass das Wissen das Beste ist, womit der Mensch geehrt werden kann. So hat Allah dem Menschen das Wissen als (zu beschreitenden) Weg auserwählt, insbesondere diese Umma hat Er hiermit angesprochen. Die erste Offenbarung des Korans, die Allah herabsandte, lautete:
„Lies im Namen deines Herrn, Der erschaffen hat. Den Menschen hat aus einem Anhängsel erschaffen.“ (96:1–2)
Allah bezeugte und ließ die Gelehrten und Engeln Ihn bezeugen, so sagte Er :
„Allah bezeugt, dass es keinen Gott gibt außer Ihm; und (ebenso bezeugen) die Engel und diejenigen, die Wissen besitzen…“ (3:18)
Zudem hob Er hervor, dass nur sie ihn fürchten:
„…Allah fürchten von Seinen Dienern eben nur die Gelehrten…“ (35:28)
Ebenfalls offenbarte, dass er sie im Dies- und Jenseits um Rangstufen erhöht:
„O die ihr glaubt, wenn zu euch ‚Macht Platz!‘ in den Versammlungen gesagt wird, dann schafft Platz, so schafft auch Allah euch Platz. Und wenn ‚Erhebt euch!‘ gesagt wird, dann erhebt euch eben, so erhöht auch Allah diejenigen von euch, die glauben, und diejenigen, denen das Wissen gegeben worden ist, um Rangstufen…“ (58:11)
Außerdem verdeutlichte Allah, dass sie die befugten Menschen sind, um das Wissen zu begreifen, da Er sagte:
„Diese Gleichnisse prägen Wir für die Menschen. Aber nur diejenigen verstehen sie, die Wissen besitzen.“ (29:43)
Er richtete auch, dass es einen Unterschied zwischen ihnen anderen (unwissenden) Menschen gibt:
„…Sag: Sind etwa diejenigen, die wissen, und diejenigen, die nicht wissen, gleich? Doch bedenken nur diejenigen, die Verstand besitzen.“ (39:9)
Der Prophet ﷺ erwähnte in zahlreichen Hadithen, die authentisch sind, den Vorzug des Wissens und der Gelehrten. Al-Buchārī erwähnte in seinem Sahih-Werk, den Hadith von Muʿāwiya b. Abī Sufyān , dass der Prophet ﷺ sagte:
„Wem Allah etwas Gutes zuteil lassen will, den lässt Er die Religion verstehen…“[1]
Dazu gehört auch der Hadith von Abū Mūsā al-Aschʿarī , den al-Buchārī und Muslim in ihren Sahih-Werken überliefern, dass der Prophet ﷺ sagte: „Das Gleichnis dessen, womit an Rechtleitung und Wissen Allah mich geschickt hat, ist dasjenige reichlichen Regens, der auf die Erde fällt. Ein Teil davon ist gut, saugt das Wasser auf und bringt in Fülle Gras und Kräuter hervor; ein anderer Teil davon ist unfruchtbar, hält jedoch das Wasser zurück, sodass Allah damit den Menschen Nutzen bringt, indem sie davon trinken und ihre Pflanzungen bewässern können. Der Regen fällt aber auch auf einen weiteren Teil, nämlich auf harten, glatten, ebenen Boden, der das Wasser weder zurückhält noch Gras und Kräuter wachsen lässt. Der erste Fall ist das Gleichnis jemandes, der Allahs Religion versteht und dem Er mit dem, womit Allah mich geschickt hat, Nutzen bringt, sodass er Wissen erwirbt und es lehrt. Der letzte Fall ist das Gleichnis jemandes, der sich nicht darum kümmert und nicht Allahs Rechtleitung annimmt, mit der ich entsandt bin.“[2]
Al-Buchārī überlieferte in seinem Sahih-Werk ebenfalls den Hadith von ʿUṯmān b. ʿAffān, der sagte: „Ich hörte den Gesandten Allahs ﷺ sagen: ‚Der Beste von euch ist derjenige, der den Koran erlernt und lehrt.‘“[3]
Muslim überliefert in seinem Sahih-Werk von Abū Huraira , dass der Prophet ﷺ sagte: „…Wer einen Weg einschlägt, um Wissen zu erwerben, so wird Allah ihm dadurch einen Weg ins Paradies erleichtern. Sobald sich eine Gruppe von Menschen in einer Moschee trifft, um den Koran untereinander zu rezitieren und zu studieren, kommt Ruhe über sie und sie werden von Allahs Barmherzigkeit umhüllt, von den Engeln umgeben und Allah erwähnt sie bei denen, die bei Ihm sind. Und wessen Taten ihn aufhalten, so wird seine Abstammung ihn nicht weiterbringen.“[4]
Die Autoren der Sunan-Werke und Aḥmad in seinem Musnad überliefern, dass der Prophet ﷺ sagte: „Für den Wissenden bitten fürwahr alle um Vergebung (die in den Himmeln und auf der Erde sind) – sogar die Fische im Wasser;[5] und die Engel senken für den Schüler des Wissens ihre Flügel aus Zufriedenheit für das, was er tut.“[6]
Es wurde auch authentisch vom ihm ﷺ überliefert, dass er sagte: „Die Gelehrten sind die Erben der Propheten. Und die Propheten vererben kein Geld. Sie vererbten nur dieses Wissen. Wer es nimmt, hat einen reichlichen Anteil genommen.“[7]
Dieses Wissen ist die Ehre der gesamten Menschheit. Durch dieses kennt sie ihren Herren, ihre Religion, ihre Werte und Anstandsregeln. Durch dieses Wissen unterscheidet sie (die Menschheit) zwischen Erlaubtem (ḥalāl) und Verbotenem (ḥarām) und versteht, was ihr Herr und ihr edler Gesandte ﷺ von ihr wollen. Dieses Wissen wird irgendwann emporgehoben. Denn der Prophet ﷺ sagte: „Vor Eintreffen der Stunde wird die Unwissenheit hervorkommen und das Wissen emporgehoben.“[8] Es wurde auch von ihm ﷺ authentisch überliefert, dass das Wissen in der Endzeit emporgehoben wird, wenn der Koran emporgehoben wird.[9] Sodann werden die Leute nichts finden, woran sie sich festhalten können. „Es werden nur noch Menschen übrigbleiben wie Gerstenschalen oder (schlechte) Datteln. Sie werden bei Allah keinen Wert haben.“[10] Über sie wird die Stunde eintreffen. Die Stunde wird nur über die übelsten Menschen eintreffen.[11] Und diese halten sich an kein Wissen, wenn es emporgehoben wird.
Al-Buchārī und Muslim überliefern in ihren Sahih-Werken den Hadith von ʿAbdullāh b. ʿAmr b. al-ʿĀṣ , der sagte: „Ich hörte den Gesandten Allahs ﷺ sagen: ‚Wahrlich, Allah nimmt das Wissen nicht hinweg, indem Er es aus dem Gedächtnis der Menschen herausreißt, sondern Er nimmt das Wissen hinweg, indem Er die Gelehrten sterben lässt und wenn keiner von ihnen übrigbleibt, dann nehmen die Menschen unwissende Köpfe in Anspruch, welche gefragt werden und ein Urteil geben, bei dem jegliche Grundlage des Wissens fehlt. Somit werden sie selbst abirren, aber auch die Menschen in die Irre führen.‘“[12]
Allah hat Seinen Dienern befohlen, die Leute des Wissens bei Unwissenheit zu fragen: „So fragt die, welche die Ermahnung besitzen, wenn ihr (etwas) nicht wisset.“ (16:43, 21:7)
Er hat befohlen zu ihnen zurückzukehren, wenn es eine Meinungsverschiedenheit gibt.
„Und wenn ihnen eine Angelegenheit zu (Ohren) kommt, die Sicherheit oder Furcht betrifft, machen sie es bekannt. Wenn sie es jedoch vor den Gesandten und den Befehlshabern unter ihnen brächten, würden es wahrlich diejenigen unter ihnen wissen, die es herausfinden können…“ (4:83)
Er hat Seinen Propheten, darunter auch der Gesandte Allahs ﷺ, eine Gunst erwiesen durch das, was Er ihnen gelehrt hat. So sagte Er zu ihm: „…und Er hat dich gelehrt, was du nicht wusstest und Allahs Huld gegen dich ist gewaltig.“ (4:113)
Als Er die Propheten in Sure al-Anbiyāʾ erwähnte bzw. nachdem Er Dāwūd und Sulaimān erwähnte, sagte Er: „…Und jedem (von ihnen) gaben Wir Weisheit und Wissen…“ (21:79)
Er hat dem Propheten ﷺ nicht befohlen, etwas von dem Diesseits zu vermehren außer dem Wissen.
„…Und sag: Mein Herr, lasse mich an Wissen zunehmen.“ All dies deutet auf die Wichtigkeit des Wissens und seiner Leute hin und dass Allah für dieses Wissen Leute aussucht, denen Er das Wissen anvertraut. So sucht Er von Seinen Dienern die Herzen aus, die pur und voller īmān sind, sodass sie das Licht der Offenbarung tragen können. Er vertraut, was Er von der Offenbarung herabsendet, den edelsten Leuten auf der Erde an. Es ist nicht möglich, dass Er es den Gescheiterten anvertraut. Allah sucht sie sich genauestens aus, Er sagte:
„Und dein Herr erschafft, was Er will, und wählt. Ihnen aber steht es nicht zu, zu wählen.“ (28:68)
„Allah weiß sehr wohl, wo Er Seine Botschaft anbringt.“ (6:124)
„Allah erwählt Sich aus den Engeln Gesandte, und (auch) aus den Menschen.“ (22:75)
So erwählt Er edle Gesandte, hierauf erwählt Er ihre Erben, die die Botschaft Allahs verkünden und Ihn fürchten und niemanden außer Ihn fürchten. Abū ʿUmar b. ʿAbdil-Barr im Vorwort seines Werkes „al-Tamhīd“ und al-Khaṭīb al-Baġdādī in seinem Werk „Scharaf Aṣḥāb al-Ḥadīṯ“ überliefern von Ibn Masʿūd , dass der Prophet ﷺ sagte:
„Dieses Wissen verkünden jeweils die gerechtesten Menschen einer jeden Generation. Sie weisen die Verfälschungen der Übertreiber, die falschen Annahmen der Entsteller und die Interpretation der Unwissenden zurück.“[13]
Für jede nachkommende Generation sucht Allah Sich eine Gruppe dieser Leute aus. Diese sind es, die das Wissen weitergeben und es wertschätzen. Sie machen das Wissen zu ihrer Priorität und zu ihrem Vorrang. Allah lehrt ihnen von Seinem Wissen, was Er will und vertraut ihnen dieses an. Wen Allah Erfolg geben wird, sodass dieser das Wissen wertschätzt, der wird zu den Erben der Propheten gehören – mit Wahrhaftigkeit und Recht. Durch ihn ist der Beweis für Allah erbracht und er gehört zu den Unterzeichnern des Herrn aller Welten. Sie sind doch diejenigen, die die Verfälschungen der Übertreiber, die falschen Annahmen der Entsteller und die Interpretation der Unwissenden zurückweisen. Wem dies misslingt, so ist ihm der Beweis erbracht worden, mehr als auf andere. So sagte Allah :
„Und verlies ihnen die Kunde von dem, dem Wir Unsere Zeichen gaben und der sich dann ihrer entledigte. Da verfolgte ihn der Satan, und so wurde er einer der Verirrten. Und wenn Wir gewollt hätten, hätten Wir ihn durch sie fürwahr erhöht; er neigte aber zur Erde hin und folgte seiner Neigung. So ist sein Gleichnis das eines Hundes: Wenn du auf ihn losgehst, hechelt er; lässt du ihn (in Ruhe), hechelt er (auch). So ist das Gleichnis der Leute, die Unsere Zeichen für Lüge erklärten. Berichte die Geschichte, auf dass sie nachdenken mögen. Wie böse ist das Gleichnis der Leute, die Unsere Zeichen für Lüge erklärten und sich selbst Unrecht zu tun pflegten!“ (7:175–177)
Allah sagte auch: „Das Gleichnis derjenigen, denen die Tora auferlegt wurde, die sie aber hierauf doch nicht getragen haben, ist das eines Esels, der Bücher trägt. Schlimm ist das Gleichnis der Leute, die Allahs Zeichen für Lüge erklären. Und Allah leitet das ungerechte Volk nicht recht.“ (62:5)
Dieses Wissen, mit dem Allah den Menschen geehrt hat und es zu einem Grund zur Rechtleitung werden ließ, ist eine Annäherung und ein Gottesdienst, mit dem man sich Allah nähert und sich Ihm in Anbetung widmet. Es gehört sogar zu den vorzüglichsten Wegen der Annäherung. Es ist nicht möglich, dass der Mensch seine Glaubensüberzeugung (ʿaqīda) und seine Kenntnis über Allah aufrechterhält außer durch Wissen, welches von Ihm herabgesandt worden ist. Ebenso wenig kann er sein Gebet verrichten, worauf als Erstes am jüngsten Tag geschaut wird außer durch Kenntnis dieses Wissens. Dies gilt genauso für die Zakat, das Fasten, die Pilgerfahrt oder andere Wege der Annäherung zu Allah – sind nur durch fundiertes Wissen möglich. Der Mensch kann gleichermaßen keine Transaktion durchführen, welche diese auch sein mag – Verkauf, Kauf, Eheschließung (nikāḥ), die Ausstellung einer Eheurkunde, Miet- oder ähnliche Verträge – außer auf Grundlage des Wissens. Schließlich ist es verboten, sich mit etwas zu befassen, wovon man kein Wissen hat. Allah sagte:
„Und verfolge nicht das, wovon du kein Wissen hast. Gewiss, Gehör, Augenlicht und Herz, – all diese –, danach wird gefragt werden.“ (17:36)
Aus diesem Grund hat das Wissen Vorrang, noch vor dem Wort, der Tat und allen anderen Handlungen. Allah sagte:
„Wisse also, dass es keinen Gott außer Allah gibt. Und bitte um Vergebung für deine Sünde und für die gläubigen Männer und die gläubigen Frauen. Allah kennt euren Wandel und euren Aufenthalt.“ (47:19)
Al-Buchārī hat in seinem Sahih-Werk zum Kapitel „Das Wissen“ folgenden Abschnitt (Nr. 10) hinzugefügt: „Das Wissen kommt vor Wort und Tat.“ Da Allah sagte:
„Wisse also, dass es keinen Gott außer Allah gibt. Und bitte um Vergebung für deine Sünde…“ (47:19)
Das Bedürfnis des Menschen nach Wissen hat also keine Einschränkung. Durch das Wissen unterscheidet er sich von den Tieren (die ja keinen Verstand haben). Verliert er es, gleicht er ihnen. Er gilt dann als tot, obwohl er lebt. So sagte Ibn al-Sīd al-Baṭlyausī[14] bereits:
أخو العلم حيٌّ خالدٌ بـــعـــــــــــد مـــــــــــــــــــوتــــــــــــه *** وأوصاله تـــحت التراب رميمُ
وذو الجهل ميتٌ وهو ماش على الثرى *** يُظنُّ من الأحياء وهو عــــــــديمُ
„Wer lernt, ist vor dem Tod gefeit,
auch wenn seine Gebeine im Grab verwesen.
Wer nichts weiß, ist dem Tod geweiht,
er wähnt sich lebendig und ist doch gewesen.“[15]
Der Bedarf nach Wissen für den Menschen ist sehr hoch, denn damit lebt er auf und bleibt den Schändlichkeiten fern. Es (das Wissen) reinigt ihn vom Schmutz und bewahrt ihn davor, in dem zu verfallen, was Allah für ihn ḥarām erklärte. Deswegen sagte Imam al-Ġazālī[16] : „Es wurde nicht gegenüber Allah gesündigt außer durch die Unwissenheit gegenüber Ihn oder Seiner Scharia.“[17]
So ist die Unwissenheit das Fundament der Sünden, denn jede Sünde wird aufgrund Unwissenheit gegenüber Allah ﷻ begangen. Die Leute wissen, dass jene Sünden verboten sind, wagen sie aber trotz dessen, weil sie Allah weder kennen noch fürchten oder gar seine Beobachtung fühlen. Oder viele sündigen der Unwissenheit gegenüber der Scharia Allahs wegen. Jemand spricht und handelt und denkt dabei, nichts wäre davon ḥarām aufgrund dieser Unwissenheit.
Na’il b. Hamid: Geehrter Scheich, Sie haben über den Vorzug des Wissens und der Gelehrten gesprochen und wir haben von Ihren Worten verstanden, dass der Vorzug des Wissens sowie der Gelehrten eine besondere Stellung im Islam einnehmen. Leider bekommen wir heutzutage mit, dass Leute nicht einmal die Regeln der Reinheit (ṭahāra) oder gar des Gebetes kennen. Hierauf sehen wir sie dann über Angelegenheiten sprechen, als ob sie das Wissen der Früheren und Späteren gemeistert haben, insbesondere wenn es um theologische Themen (ʿaqīda) geht. Diese Person stempelt dann unbefugt, andere als Frevler, Ungläubige oder Neuerer ab, ohne eine Bestrafung (Allahs) zu befürchten. Scheich, was sagen Sie hierzu und wie gehen wir mit solchen Leuten um?
Dadaw: Allah hat in Bezug auf das Wissen es dem Menschen verboten, über Ihn etwas zu sagen, was er nicht weiß, und Er zählte es als das Beigesellen mit Ihm. So sagte Allah :
„Sag: Mein Herr hat nur die Abscheulichkeiten verboten, was von ihnen offen und was verborgen ist; und (auch) die Sünde und die Gewalttätigkeit ohne Recht, und dass ihr Allah (etwas) beigesellt, wofür Er keine Ermächtigung herabgesandt hat, und dass ihr über Allah (etwas) sagt, was ihr nicht wisst.“ (7:33)
Die Aussage über Allah ohne Wissen gehört also zu den größten Sünden und ist dem Beigesellen Allahs gleichgestellt worden, wie in der Sure al-Aʿrāf (Nr. 7) eben erwähnt. Allah sagte auch:
„Und sagt nicht von dem, was eure Zungen als Lüge behaupten: ‚Das ist erlaubt, und das ist verboten‘, um gegen Allah eine Lüge zu ersinnen. Gewiss, denjenigen, die gegen Allah eine Lüge ersinnen, keinen Erfolg haben werden.“ (16:116)
So zeigte er auf, dass wer über Allah ohne Wissen in den Angelegenheiten des ḥalāl und ḥarām spricht, nicht bzw. niemals erfolgreich in irgendeiner Sache bei Allah sein wird. Auch das Lügen über den Gesandten Allahs ﷺ gehört zu der gewaltigsten Lüge als gegenüber anderen Menschen. Denn es wurde authentisch vom ihm ﷺ überliefert, dass er sagte:
„Das Lügen über mich gleicht nicht dem Lügen über eine andere Person. Wer über mich etwas behauptet, was ich nicht gesagt habe, wird das Höllenfeuer betreten.“[18]
„Wer absichtlich über mich lügt, möge seinen Platz im Höllenfeuer einnehmen.“[19]
„Wer über mich etwas behauptet, was ich nicht sagte, möge seinen Platz im Höllenfeuer einnehmen.“[20]
Wenn über Allah in Bezug auf theologische Angelegenheiten, die auf die Offenbarung zurückgehen, geredet wird, muss die Person gefestigt sein – in Koran und Sunna mit dem Verständnis der Gelehrten, die ja im Wissen fest gegründet sind. Sie darf keine Ansprüche über diese Offenbarungstexte erheben und sich etwa ihres eigenen geringen Verstandes bedienen, um diese Texte zu begreifen, wenn sie nicht studiert hat. Daher hat Er diesen (theologischen) Bereich für diejenigen zugeschnitten, die fest im Wissen gegründet und damit befugt sind, über diese Themen zu reden. Wenn (unbefugte) andere jedoch reden, müssen sie gezüchtigt und es (das Reden) muss ihnen verboten werden. Und diejenigen, die in diesen Angelegenheiten sprechen, sind viele und der richtige Umgang ist, dass man sich von ihnen fernhält. So sagte Allah :
„Wenn du jene siehst, die über Unsere Zeichen töricht reden, dann wende dich ab von ihnen, bis sie zu einem anderen Gespräch übergehen. Und sollte dich Satan (dich dies) vergessen lassen, dann sitze nach dem Wiedererinnern nicht mit den Ungerechten (beisammen). Diejenigen, die taqwā gemäß handeln, obliegt nicht die Verantwortung für jene, sondern nur das Ermahnen, damit diese sich vor Allahs Strafe in Acht nehmen.“ (6:68–69)
Man hält sich also von ihnen fern und weder hört man ihnen zu noch setzt man sich bei ihnen. Allah ließ diese Leute sich selbst erniedrigen. Schließlich geben jene ihre guten Taten an andere und verlieren, was sie zu tun pflegten. Wenn sie nämlich Taten vornehmen, also fasten, spenden oder den Koran rezitieren, wird jene Tat für jemanden anderen aufgeschrieben.
Es wurde authentisch überliefert, dass der Prophet ﷺ (seine Gefährten) fragte:
„Wisst ihr, wer wirklich völlig mittellos ist?“ „Völlig mittellos ist, wer weder Geld noch Eigentum besitzt“, antworteten sie. Daraufhin sagte er: „Der wirklich Mittelose ist derjenige, der am Tage des Gerichts mit einer guten Anzahl von guten Taten (Gebeten, Fasten und Zakat) erscheinen wird, die Bergen gleichen. Jedoch hat er auch jemanden misshandelt, jemanden verunglimpft, die Waren einer anderen Person unterschlagen (jemanden getötet oder eine andere Person geschlagen). Dann wird dem einen ein Teil seiner guten Taten gegeben, und dem anderen ein Teil seiner guten Taten gegeben. Und wenn seine guten Taten vergeben sind (bevor er Rechenschaft abgelegt hat), dann werden Sünden der anderen (ungerecht Behandelten) auf ihn übertragen, und er wird ins Höllenfeuer geworfen werden.“[21]
Ihre (üblen) Worte über die Leute richten sich sehr oft gegen die besten Menschen. So reden sie nicht über die Laien, die ihnen gleichen, sondern sie reden über die Prediger und Gelehrten und über diejenigen, die das Wissen erworben haben und zur Religion aufrufen und sich für ihr aufgeopfert haben. Sie ziehen über sie allesamt her und lassen die üblen Menschen in Ruhe. Dies ist ein klarer Beweis für ihren Verrat. Denn sie haben sich die besten Menschen bei Allah ausgesucht und sich auf sie gestürzt. Vielleicht reden sie sogar über Menschen oder Gelehrten, die sie nicht einmal kennen, die vor vielen Jahren bereits verstorben sind oder in den gelobten Generationen gelebt haben. Indem diese Leute über diese Menschen und Gelehrten reden, schenken sie ihnen ihre guten Taten. Daher schadet das Gerede nicht denjenigen, über die geredet wird, sondern nur denjenigen, die über sie reden und sie angreifen.
[1] Sahih al-Buchārī, Kapitel 3, Hadithnr. 71, Kapitel 57, Hadithnr. 3116; Kapitel 96, Hadithnr. 7312.
[2] Sahih al-Buchārī, Kapitel 3, Hadithnr. 79; Sahih Muslim, Kapitel 43, Hadithnr. 2282; Riāḍ aṣ-Ṣaliḥīn, Kapitel 12, Hadithnr. 1378.
[3] Sahih al-Buchārī, Kapitel 65, Hadithnr. 5027; siehe auch Sunan Abī Dāwūd, Kapitel 8, Hadithnr. 1452; Jāmiʿ al-Tirmiḏī, Kapitel 45, Hadithnr. 2907 ff.; Sunan Ibn Mājah, Einführung, Hadithnr. 211 ff.
[4] Sahih Muslim, Kapitel 48, Hadithnr. 2699; siehe auch Jāmiʿ al-Tirmiḏī, Kapitel 46, Hadithnr. 2945; Sunan Ibn Mājah, Einführung, Hadithnr. 225; 36. Nawawī-Hadith.
[5] Sunan Ibn Mājah, Einführung, Hadithnr. 239.
[6] Sunan Abī Dāwūd, Kapitel 26, Hadithnr. 3641; Musnad Imam Aḥmad, Hadithnr. 18089.
[7] Sunan Abī Dāwūd, ebenda; Jāmiʿ al-Tirmiḏī, Kapitel 41, Hadithnr. 2682.
[8] Vgl. Sahih al-Buchārī, Kapitel 92, Hadithnr. 7062 ff.
[9] Vgl. u.a. al-Buchārī, Al-Tārīḫ al-kabīr, Band 8, Seite 107 f., Hadithnr. 2379, Edition: Dāʾirat al-Maʿārif al-ʿUṯmānīya.
[10] Sahih al-Buchārī, Kapitel 81, Hadithnr. 6434.
[11] Sahih Muslim, Kapitel 54, Hadithnr. 2949; Sunan Ibn Mājah, Kapitel 36, Hadithnr. 4039.
[12] Sahih al-Buchārī, Kapitel 3, Hadithnr. 100; Sahih Muslim, Kapitel 47, Hadithnr. 2673; Jāmiʿ al-Tirmiḏī, Kapitel 41, Hadithnr. 2652; Sunan Ibn Mājah, Einführung, Hadithnr. 52.
[13] Al-Baġdādī, Šaraf aṣḥāb al-ḥadīṯ, Seite 63, Hadithnr. 47, Edition: Maktabat Ibn Taimīya; Ibn ʿAbdil-Barr, Al-Tamhīd, Band 1, Seite 255 mwN, Edition: Muʾassasat al-Furqān.
[14] Andalusischer Grammatiker (444–521 H.) und Philosoph.
[15] Al-Khair, Al-Qurṭ ʿalā al-kāmil, Seite 94, Edition: Jāmiʿat Lahore.
[16] Persischer Großgelehrter (450–505 H.), Theologe und Fakih der schafiitischen Rechtsschule.
[17] Vgl. al-Ġazālī, Iḥyāʾ ʿulūm ad-dīn, Band 4, Seite 369, Edition: Dār al-Maʿrifa.
[18] Sahih al-Buchārī, Kapitel 3, Hadithnr. 106, Kapitel 23, Hadithnr. 1291; Sahih Muslim, Einführung, Hadithnr. 4.
[19] Sahih al-Buchārī, Kapitel 23, Hadithnr. 1291, Kapitel 3, Hadithnr. 107 ff., Kapitel 60, Hadithnr. 3641, Kapitel 61, Hadithnr. 3508, Kapitel 78, Hadithnr. 6197; Sahih Muslim, Einführung, Hadithnr. 2 ff., Kapitel 55, Hadithnr. 3004; Sunan Abī Dāwūd, Kapitel 22, Hadithnr. 3242; Jāmiʿ al-Tirmiḏī, Kapitel 33, Hadithnr. 2257, Kapitel 41, Hadithnr. 2659, 2661, 2665, 2669, Kapitel 47, Hadithnr. 2951, Kapitel 49, Hadithnr. 3715; Sunan Ibn Mājah, Einführung, Hadithnr. 30, 32 ff.; Musnad Imam Aḥmad, Hadithnr. 584, 1075, 1089, 1413, 1428.
[20] Sahih al-Buchārī, Kapitel 3, Hadithnr. 109; Sunan Ibn Mājah, Einführung, Hadithnr. 35; Musnad Imam Aḥmad, Hadithnr. 469.
[21] Sahih Muslim, Kapitel 45, Hadithnr. 2581; Jāmiʿ al-Tirmiḏī, Kapitel 37, Hadithnr. 2418.