Moderator: Scheich, wir befinden uns in den letzten zehn Tagen (des Ramadan) und da die Nacht der Bestimmung (Lailat al-Qadr) möglicherweise in einer dieser Nächte ist, widmen sich die Menschen Allah mit Gottesdiensten zu, insbesondere dem Bittgebet (duʿāʾ). Gibt es eine bestimmtes Anliegen für den Menschen, auf welches er in seinen Bittgebeten beharren sollten, vor allem wenn es um religiöse und weltliche Angelegenheiten geht? Es gibt Leute, die sich gegenüber Allah schämen, Ihn (nur) um weltliche Dinge zu bitten, geehrter Scheich. Was ist Ihre Meinung hierzu?
Scheich Muhammad al-Hassan al-Dadaw: Diese Vorgehensweise ist so nicht richtig. Vielmehr muss der Mensch sich Allah ergeben und Ihm gegenüber in allen Angelegenheiten bescheiden sein. Er fragt Ihn nach all seinen Bedürfnissen und Wünschen. Allah ist wissend über all unsere Geheimnisse (siehe 20:7) und Er ist uns näher als unsere Halsschlagader (siehe 50:16). Er weiß, was wir benötigen, uns wünschen und lieben. Deswegen sagte Er:
„Und (noch) eine andere (Huld), die ihr liebt (wird euch gewährt): Hilfe von Allah und ein naher Sieg. Und (so) verkünde (diese) frohe Botschaft den Gläubigen.“ (61:13)
Er legt uns auf, Ihn um diesseitige Angelegenheiten zu bitten, so sagte Er: „Unter ihnen gibt es aber auch solche, die sagen: ‚Unser Herr, gib uns im Diesseits Gutes und im Jenseits Gutes, und bewahre uns vor der Strafe des (Höllen-)Feuers!‘ Für jene gibt es einen Anteil an dem, was sie verdient haben. Und Allah ist schnell im Abrechnen.“ (2:201–202)
Der Gesandte Allahs ﷺ pflegte Allah nach dem Besten im Dies- und Jenseits zu fragen; er kennt Allah am besten und ist der Ehrfürchtigste Ihm gegenüber und am nächsten zu Ihm. Dies gilt gleichermaßen für die edlen Propheten, die uns als Vorbilder und Beispiele genügen. Wir lesen alle ihre Bittgebete im Koran und sie würden stets um diesseitige und jenseitige Angelegenheiten bitten.
So sagte Ibrāhīm z.B.:
„Unser Herr, ich habe (einige) aus meiner Nachkommenschaft in einem Tal ohne Pflanzungen bei Deinem geschützten Haus wohnen lassen, unser Herr, damit sie das Gebet verrichten. So lasse die Herzen einiger Menschen sich ihnen zuneigen und versorge sie mit Früchten, auf dass sie dankbar sein mögen.“ (14:37)
Ebenso sagte er gemeinsam mit seinem Sohn Ismāʿīl, als sie die Kaaba errichteten:
„…(Da beteten sie): ‚Unser Herr, nimm (es) von uns an. Du bist ja der Allhörende und Allwissende. Unser Herr, mache uns Dir ergeben und von unserer Nachkommenschaft eine Dir ergebene Gemeinschaft. Und zeige uns unsere Riten, und nimm unsere Reue an. Du bist ja der Reue-Annehmende und Barmherzige.‘“ (2:127–128)
So verhielt es sich auch mit dem Bittgebet für ihre Errettung und für ihr Volk, wie es auch beim Bittgebet von Mūsā und anderen der Fall war oder das Bittgebet zur Vernichtung ihrer Feinde seitens Mūsā und Nūḥ usw. Die Bittgebete der Propheten liegen uns also vor, so auch das Bittgebet von Zakarīya :
„…‚Mein Herr, lasse mich nicht kinderlos bleiben, und Du bist der beste Erbe.‘“ (21:89)
Alle Bittgebete der Propheten beinhalten Angelegenheiten der Religion und des Diesseits gemeinsam. Hierin wird nicht unterschieden. Schließlich lebt der Muslim für und durch Allah und nutzt sein Diesseits für seine Religion. Es bildet eine Stütze für ihn und er ist daran gebunden. Man unterscheidet daher nicht zwischen Religion und Diesseits (im Bittgebet), da die Religion für ihn das Diesseits regelt und das Diesseits folgt der Angelegenheit der Religion.